Glaubt man der aktuellen Presse, so steckt die Elektromobilität in einer tiefen Krise. Begriffe wie „Friedhof der E-Autos – Die Mobilität der Zukunft steckt in der Krise“ (SPIEGEL TV)“ machen Stimmung und suggerieren, dass der Trend einer Mobilität ohne Verbrennungsmotor schon bald ein Ende finden könnte. Schade, finde ich. In unserer so schwierig gewordenen Zeit braucht es Ressourcen-sparende Lösungen, auch für unseren Wunsch nach Mobilität.

von Robert Schachner

Die E-Autos scheinen mir eine spannende Perspektive. Ich bin Elektroingenieur und seit Jahren begeisterter E-Auto-Fahrer. Auf Einladung der SEIN hin möchte ich hier die gängigen Argumente für und gegen E-Autos mit Ihnen beleuchten, um in die sehr emotional und oft ohne Sachinformationen geführte Debatte mehr Seriosität zu bringen. Halten Sie also bitte durch, meine Ausführungen sind teils techniklastig, aber ich hoffe trotzdem gut verständlich.

In Deutschland wurden im 1. Quartal dieses Jahres 14 % weniger Elektrofahrzeuge verkauft als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Diesem Rückgang in Deutschland steht ein globales Mehr an E-Autos von 19 % gegenüber, das vor allem in China stattfindet, wo die Verkaufszahlen stark ansteigen. In Norwegen ist mit 82,4% E-Fahrzeugen der Umstieg in die E-Mobilität bereits erfolgt.

Warum tun wir uns hier in Deutschland mit den E-Autos so schwer?

Ein Grund ist die fehlende staatliche Unterstützung für E-Auto-Käufer.
Der Wegfall der staatlichen Prämie ist sicher indirekt mit für die Stagnation der E-Auto-Verkäufe verantwortlich. Neue Ideen und Innovation brauchen Anreize, “gute Gründe” für den Umstieg. Allerdings hat die Prämie den Kauf von E-Autos zum Weiterverkauf ins Ausland nach einer kurzen Sperrfrist begünstigt. Das zumindest fällt durch die Abschaffung der Prämie weg, weil es nicht mehr interessant ist.
Das mit den Verkaufspreisen der E-Autos ist ohnehin so eine Sache. Die Bauteilekrise während der Corona-Zeit hatte zu einer Preisspirale geführt, die die Preise für E-Autos extrem ansteigen ließ. So erhöhte sich der Preis des VW ID.3, der dem Golf sehr ähnlich ist, von 32.000 € auf 44.000 € bis Mitte 2023. Gleichzeitig wurde das gleiche Fahrzeug mit geringerer Ausstattung in China für 15.900 € angeboten.

Die Automobilbranche hat in diesen Jahren hier im Lande ihre Preise einfach überzogen und die aktuelle Krise ist dadurch mitverursacht. Die Presse leistet durch unsachliche, polemische Beiträge und reißerische Headlines einen weiteren Beitrag zu der aktuell schwierigen Situation. Unqualifizierte Slogans wie „Keiner will E-Autos“ oder „E-Auto abgelöst, Verbrenner im Vormarsch“ suggerieren, dass die Elektromobilität bereits am Ende sei. Das stimmt so einfach nicht.

Kobalt und Lithium

Hartnäckig halten sich auch Meldungen, wonach der Kobaltabbau im Kongo und die damit verbundene Kinderarbeit ausschließlich mit der Elektromobilität in Zusammenhang stehen. Eine Studie der Commodities Research Unit aus dem Jahr 2017 zeigt jedoch, dass nur 8,2 % des weltweit produzierten Kobalts in Elektrofahrzeugen verwendet werden. Auf der anderen Seite schafft der Kobaltabbau in dem sehr armen Land tausende Arbeitsplätze und führt zu einer Verbesserung der Infrastruktur.

Bedingt durch das neue Lieferkettengesetz muss die Automobilindustrie ihrer menschenrechtlichen Verantwortung und Sorgfaltspflicht transparent nachkommen. Auch liegt es im eigenen Interesse, dass ihre Produkte nicht durch Kinderarbeit in Verruf geraten. Zudem wird der Kobalt-Anteil in der Elektromobilität geringer werden, da bei aktuellen NMC-Batterien der Anteil bereits auf 3 % gesenkt wurde und neue Batterietechnologien kein Kobalt mehr verwenden. Auch das Argument der Verwendung seltener Erden in den Batterien für E-Autos lässt sich leicht widerlegen: Seltene Erden werden in Batterien nicht verwendet und sind, entgegen ihrem Namen, oft gar nicht so selten. Sie kommen hauptsächlich in Magneten für Elektromotoren vor. Je nach Zielsetzung werden Elektromotoren aber auch ohne statische Magnete verbaut.

Die Atacama-Wüste

Dann gibt es das hartnäckige Gerücht von der Grundwasser verschlingenden Lithium-Förderung in der Atacama-Wüste. Die drei Salzseen dieser Wüste bilden ein riesiges Lithium-Reservoir. Zum Erzeugen des Lithiums wird das stark mineralhaltige Wasser zum gezielten Verdunsten in riesige, künstlich angelegte Becken gepumpt. Dabei wird leider das zu verdunstende Wasser aus dem Salzsee nicht zur Trinkwasser-Gewinnung genutzt, wie es sonst in klassischen Entsalzungsanlagen geschieht. Deshalb verdunsten so für eine E-Auto Batterie etwa 20.000 Liter Wasser. Das ist mehr als bedauerlich. Aber zum Vergleich: Für die Herstellung einer einzigen Jeans werden etwa 6.000 Liter Wasser verschmutzt und sind nicht mehr als Trinkwasser nutzbar. Warum findet das nicht mehr öffentliches Interesse? Wir kaufen weiter die Billig-Klamotten, so als gäbe es das riesige Umweltproblem durch die Herstellung und auch die Billig-Lohn-Bezahlung der NäherInnen nicht.

Das meiste Lithium wird zudem derzeit im klassischen Bergbau gewonnen.
Es gibt jedoch auch ganz neue Verfahren, bei denen Lithium beispielsweise aus dem heißen Wasser von Geothermiekraftwerken abgeschieden wird. So soll Lithium für Millionen von E-Autos ohne signifikanten Energieaufwand gewonnen werden.

Hohe Verbrauchskosten?

Es kursieren auch Meldungen, wonach Stromkosten höher als Benzinkosten sein sollen.
Wenn man extreme Vergleiche heranzieht, wie das Ad-hoc-Laden auf der Autobahn im Vergleich zum Tanken abseits der Autobahn, führt das zu irreführenden Ergebnissen, die sich jedoch im Netz gut präsentieren. Aber lädt man sein Fahrzeug zuhause, so liegen die Kosten nur bei der Hälfte, und mit eigenem Solarstrom gibt es fast keine Kosten mehr. Ein kleines Balkonsolarkraftwerk kann innerhalb eines Jahres genug Strom für bis zu 5.000 Kilometer Fahrleistung erzeugen. Ein solches Fahrzeug würde dann im Betrieb keinerlei Schadstoffe ausstoßen.

Umweltfreundlichkeit

Manche Studien behaupten, dass E-Autos zwischen 20.000 und 200.000 km fahren müssen, um umweltfreundlicher zu sein als die klassischen Verbrenner. Da Elektroautos während der Fahrt keine Schadstoffe ausstoßen, werden andere Kriterien herangezogen, die man dann mit der CO2-freien Fahrt gegenrechnen kann. Ein bedeutender Faktor ist der etwa ein Drittel höhere Energieverbrauch bei der Batterieproduktion, der auf die angenommenen 200.000 Kilometer Fahrleistung umgelegt wird. Da die Fertigung derzeit größtenteils in China erfolgt, geht man davon aus, dass diese Energie hauptsächlich durch Kohlestrom bereitgestellt wird. Neue Verfahren, wie sie derzeit bereits bei Tesla eingeführt werden, sollen den Energieverbrauch um etwa 50% senken. Außerdem soll die Batteriefertigung in Zukunft im Inland auf Basis von grünem Strom erfolgen. Für solche Berechnungen ist auch relevant, welche Strom-Herkunft herangezogen wird. Statistiken brauchen oft einen zweiten, tieferen Blick, wie wir alle wissen, um wirklich aussagekräftig zu sein.

Der hier kritisierte CO2-Ausstoß für die Herstellung der Batterien für E-Autos ist ein rein rechnerischer Wert, der sich sofort verändert, wenn man nicht von 200.000 km Fahrleistung, sondern laut TÜV Nord mindestens 300.000 km annimmt (einige Fahrzeuge schaffen sogar 600.000 km und mehr). Und nach dem Ende ihrer Verwendung in E-Autos werden Batterien in sogenannten „Second-Life“-Anwendungen wie Hausspeichern noch weitere 10 Jahre eingesetzt. Anschließend werden Batterien recycelt, was allerdings erst in etwa 10 Jahren notwendig wird. Erste Pilotanlagen, wie zum Beispiel bei VW in Salzgitter, zeigen eine Recyclingquote von über 90 % und darauffolgend einen erheblich geringeren Energieverbrauch bei der Herstellung neuer Batterien. Mit der Zunahme grüner Energie wird der Betrieb von E-Autos ökologisch immer besser, während sich in der Verbrenner-Technik kaum noch Optimierungen erzielen lassen.

Die derzeitigen Vergleiche sind auch darum irreführend, weil bei der Betrachtung des CO2- Ausstoßes die Herstellungs- und Bereitstellungskosten des Kraftstoffs für Verbrenner nicht einbezogen werden. Man schätzt, dass bei der Förderung des Öls durch Fracking etwa ein Drittel des geförderten Öls allein für die dazu erforderliche Förderungsenergie aufgewendet werden muss. Hinzu kommen Transport und Raffination. Allein für die Raffination von Diesel werden 1,6 kWh pro Liter veranschlagt, was bei 6 Litern Diesel einen Energiebedarf von 9,6 kWh für 100 km bedeutet. Ein ID.3 von Volkswagen, ähnlich dem klassischen Golf, könnte damit bereits 60 km sparsam fahren.

Wenn wir den Energieaufwand für die Kraftstoff-Herstellung in die Betrachtungen einbeziehen, verbessert sich das Verhältnis deutlich zugunsten der Elektromobilität. Es zeigt sogar, dass wir theoretisch mit dem Energieaufwand nur für die Bereitstellung der fossilen Kraftstoffe die Elektromobilität betreiben könnten. Und es ist ein schönes Beispiel dafür, wie Auslassungen zu einer verzerrten Darstellung der tatsächlichen Ökobilanz von E-Autos führen.

E-Autos als Nutzer von überschüssigem Strom

Wenn Sie noch Lust haben, einen Schritt weiter mit mir hinter die Kulissen der Ökobilanz der E-Autos zu schauen, möchte ich Ihnen gerne noch einen Aspekt darlegen: Elektroautos können überschüssigen Strom aufnehmen, der sonst wegen Überkapazitäten abgeregelt werden müsste. Mit Hilfe von Apps und entsprechenden Stromverträgen kann das Auto immer dann geladen werden, wenn überschüssiger Strom zur Verfügung steht und damit viel billiger ist. Im Jahr 2022 wurden in Deutschland Windkraftanlagen abgeschaltet, um eine Überlastung der Stromnetze zu verhindern. Damit hätten 36 Milliarden Kilometer mit Elektroautos zurückgelegt werden können. Der ungenutzte Strom aus Photovoltaikanlagen ist dabei noch gar nicht einbezogen.

Welche Rolle spielt die Mineralölindustrie?

Mir drängt sich die Vermutung auf, dass Interessensgruppen wie die Mineralölindustrie daran arbeiten, die Elektromobilität zu verhindern, und dass die Auswahl der Nachrichten und Informationen, die wir bekommen, von diesen Interessen gesteuert wird. Umso wichtiger erscheint es mir, dass wir uns von den teilweise sehr verzerrten Darstellungen nicht beirren lassen. Wir leben allgemein in einer Zeit des Übergangs, in der Innovationen besonders gerne auch in Deutschland bekämpft werden.

E-Autos als Strahlungsquelle?

Ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit der Elektromobilität ist auch die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV). Darunter versteht man die Abstrahlung elektromagnetischer Wellen durch elektronische Geräte, die in der Regel gut abgeschirmt werden können. Bei Smartphones hingegen ist Strahlung unvermeidlich, da sonst keine Kommunikation stattfinden kann.

In Europa müssen grundsätzlich alle elektronischen Geräte eine EMV-Prüfung in speziell dafür zertifizierten Prüfzentren durchlaufen. Das CE-Zeichen zeigt an, dass ein Produkt vom Hersteller geprüft wurde und alle EU-weiten Anforderungen an Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz erfüllt. Während dies in Europa gut funktioniert, ist es bei Produkten aus Asien oft schwieriger, die Einhaltung dieser Standards sicherzustellen.

Strahlung entsteht grundsätzlich durch Spannungsschwankungen bzw. Wechselstrom, z.B. in Transformatoren (220V-LED-Lampen), beim Laden von Batterien, im Elektromotor, und auch der Zündfunke in Benzinmotoren erzeugt Strahlung. Hier ist wichtig zu wissen, dass die Intensität der Strahlung mit zunehmendem Abstand exponentiell abnimmt. Beispielsweise sinkt die Strahlungsleistung auf 25 %, wenn sich der Abstand verdoppelt. Das bedeutet, dass Strahlung, die im Fußraum eines Fahrzeugs noch messbar sein könnte, in Kopfhöhe oft kaum oder gar nicht mehr relevant ist.

Unerwünschte Abstrahlung lässt sich jedoch effektiv abschirmen, was das Risiko gesundheitlicher Auswirkungen deutlich verringert. Das erklärt auch, warum es große Unterschiede in den Messwerten zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen gibt, jedoch nicht unbedingt zwischen Verbrennungs- und Elektrofahrzeugen. Der Grund dafür liegt schlicht darin, dass die Hersteller unterschiedlich stark auf Abschirmung achten.

Die notwendige Strahlung eines Smartphones lässt sich dagegen nicht abschirmen.
Tatsächlich wirkt die Strahlungsleistung in einem Fahrzeug ohne Außenantenne wie ein Faradayscher Käfig. Das Smartphone muss dann die Sendeleistung auf bis zu 2 W erhöhen. Ohne Freisprecheinrichtung geht die Strahlung bei minimalem Abstand direkt durch den Kopf. Wer also auf niedrige Strahlungswerte achten möchte, sollte das Smartphone im Fahrzeug grundsätzlich ausschalten oder die Strahlung über eine Außenantenne ableiten.

Und nun noch zu mir, und wie ich die Dinge sehe

Ich bin, wie gesagt, selbst Elektronikingenieur und habe die Entwicklung der Elektromobilität von Anfang an auch beruflich verfolgt. Ich habe von 2016 bis 2023 einen Opel Ampera Baujahr 2013 gefahren und jetzt fahre ich einen Tesla Model Y aus Grünheide. Früher habe ich als Pendler 2.000 Liter Diesel im Jahr verbraucht. Heute kann ich meine hohe Fahrleistung gegenüber der Natur und mir selbst gegenüber rechtfertigen, weil ich den Strom für meine Fahrten selbst produziere.

Natürlich habe ich auch manchmal Probleme mit Ladestationen, meist mit den älteren.
Und ich musste mich gerade mit dem Ampera viel mehr um das Laden kümmern. Dafür hat mir aber auch der Ampera viel Freude gemacht, hat extrem wenig gekostet und bis zum Wiederverkauf noch keinen erkennbaren Batterieverlust gezeigt. Der größte Schaden waren die Scheibenbremsen, die ich wegen der Rekuperation (Laden der Fahrzeugbatterie durch Bremsenergierückgewinnung.) einfach zu wenig benutzt hatte. Grundsätzlich ist das auch nicht verwunderlich, denn im Gegensatz zu den vielen beweglichen Teilen eines Verbrennungsmotors gibt es beim Elektromotor nur eine drehende Welle, aber auch kein Getriebe, keine Kupplung und keine Auspuffanlage.

Und ich bin immer noch begeistert von der Beschleunigung des Fahrzeugs, die scheinbar aus dem Nichts kommt und sofort mit Dynamik und Kraft einsetzt. Und während einer längeren Fahrt fährt man dann leise und entspannt.

Aus persönlicher und beruflicher Sicht sehe ich aufgrund der Klimaveränderung keine Alternative zur Elektromobilität. Ich kann verstehen, dass der tiefgreifende Wandel in allen Bereichen unseres Lebens auch Angst macht. Deshalb sollten wir uns aber nicht von der unqualifizierten Berichterstattung in manchen Medien oder gar der Ölindustrie instrumentalisieren lassen. Gerade heute ist es wichtig, keinem Argument zu trauen, bevor man sich nicht aus verschiedenen Quellen eine eigene Meinung gebildet hat. Der Wandel ist notwendig und nicht aufzuhalten. Wenn wir in Deutschland weiter auf Verbrennungsmotoren setzen, werden uns billige Elektroautos aus China überschwemmen. Wir können nur versuchen, uns auf den Wandel einzustellen und ihn bestmöglich zu unterstützen.

 

Robert Schachner
ist CTO der Firma Embedded Ocean GmbH, die real-time Software für industrielle Anlagen herstellt, mit dem Motto „Milliseconds are for Amateurs“. Die Nutzung der erneuerbaren Energien und alles, was unsere Welt bleibend lebenswert macht, ist ihm ein großes Anliegen.

 

 

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