Es ist schon drollig. Da schreibt der Spiegel eine euphorische Story über ein revolutionäres neues Mentaltraining, dass offenbar gegen alle psychischen und physischen Leiden hilft – und siehe und staune: Es ist die gute alte Achtsamkeitsmeditation.

„Bei der Introvision geht es darum, sich gedanklich unangenehmen Gefühlen so lange auszusetzen, bis sie ihren Schrecken verlieren.“ Bewertungsfreie Innenschau dürfte doch so manchem Buddhisten ganz bekannt vorkommen.

Liebe Spiegel-Redaktion, wir wissen ja nicht, wo ihr die letzten Paartausend Jahre gesteckt habt, aber das machen spirituelle Menschen schon mindestens seit dem alten Ägypten.

Meditation heißt jetzt Introvision?

Nun heißt es die „neue Technik“ klangvoll Introvision und wird von der Fachwelt als Sensation aufgenommen.

„Der renommierte Burnout-Forscher Matthias Burisch probierte ein paar Introvisionsübungen vor zwei Jahren selbst aus. Er war verblüfft, dass etwas ‚derart Simples so helfen kann'“ – schreibt der Spiegel. Wir sind viel eher verblüfft, dass man etwas derart simples erst jetzt entdeckt – aber wir freuen uns. Der Durchbruch kommt, spät aber doch.

„Introvision basiert auf ähnlichen Prinzipien wie das Achtsamkeitstraining („Mindfulness-Based Stress Reduction Program“), das in der Depressionsbehandlung erfolgreich eingesetzt wird. Bereits nach elf Sekunden aufmerksamen Beobachtens der eigenen Gefühle sinkt der Erregungspegel in der Amygdala, dem Angstzentrum des Gehirns, haben Zürcher Forscher herausgefunden.“ Gratulation!

Auch die Spiegel-Leser wundern sich zurecht in den Kommentaren, aber alle sind sich einig: Schön, dass die westliche Psychologie auch langsam drauf kommt. Hat ja gedauert. Nachdem man Spiritualität lange Jahre arrogant belächelt hat, kann man sich nun nach Tausenden von Studien und Hirnuntersuchungen also endlich die Hände schütteln. Und nun aber munter auf in die Freiheit!

 

Mehr Artikel zum Thema

Freiheit – Die Bereitschaft zu fühlen

Mit Emotionen richtig umgehen

 

Bild: aboutpixel.de / Buddha © Christian Wöller

 

Unterstütze SEIN

Vielen Dank an alle, die den Journalismus des SEIN bisher unterstützt haben.
Die Unterstützung unserer Leser trägt dazu bei, dass wir unsere redaktionelle Unabhängigkeit behalten und unsere eigene Meinung weiter äußern können. Wir sind sicher, dass unsere redaktionelle Arbeit und unsere Themenvielfalt und Tiefe den gesellschaftlichen Wandel beflügeln. Wir brauchen Deine Unterstützung, um weiterhin guten, kreativen "Lösungs-Journalismus" zu liefern und unsere Offenheit zu wahren. Jeder Leserbeitrag, ob groß oder klein, ist wertvoll. Wenn Du unsere Arbeit wertschätzt, unterstütze SEIN noch heute - es dauert nur wenige Minuten. Vielen Dank.
SEIN unterstützen





4 Responses

  1. Anonymous

    hahaa!!!

    was kostet mehr? ein implantat beim zahnarzt, oder ein neuer zahn vom herrn grabovoi?

    und ihr geistig minderbemittelten zahlts auch noch echtes geld für diesen mist. wäre der herr (gott) grabovoi tatsächlich mit solchen fähigkeiten ausgestattet, er würde es nicht lange machen…

    so wie für den durchschnittsaffen die mittelalterliche welt voll alchemie und die erde noch eine scheibe war, so ist es um euch bestellt.

    so folget eurem kosmischen licht. vielleicht bietet er auch den ablasshandel an. beim kauf eines 10er blocks gratis dazu!

    Antworten
  2. Kato

    @ Thomas

    Auch ein spiritueller Mensch braucht manchmal Ironie gerade, wenn die jahrelangen Kritiker plötzlich darauf kommen, dass da doch … naja und dann bennen sie es um (um das Gesicht zu wahren? – wer weiß – es ist so absurd-komisch, dass Ironie schon fast zwingend ist). Freuen tut man sich ja trotzdem, dass es in diese Richtung geht.

    Antworten
  3. Peter

    Na ja, es ist schon ein bisschen merkwürdig, mit der Bezeichnung „Introvision“ so zu tun, als wär’s was ganz Neues. Aber: Wenn’s hilft, dass mehr Menschen so in sich gehen – dann soll’s doch recht sein.

    Antworten
  4. Thomas K.

    Zugegeben, ein bisschen verwundert bin ich über diesen (euren) Artikel.
    Nicht über den Inhalt aber über die Präsentation.
    Ich finde, wir sollten uns freuen. Über die große Aufmerksamkeit, die „Entdeckung“ an sich und darüber, dass das Thema seinen Weg in ein Medium wie den Spiegel findet. Das schreibt ihr ja auch. Dennoch ist mir, als würde ich einen kleinen ironischen Unterton in Headline und im Artikel hören 😉
    Ich finde: Das brauchts nicht.
    Ansonsten: Weiter so bitte! Ich les euch gern! 🙂

    Antworten

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*