Mit einer innovativen Kombination aus Musikpsychologie und Audio-Engineering wollen Forscher der University of Glasgow erstmals genauer ans Licht bringen, wie sich Musik auf die Emotionen des Hörers überträgt. Die Forschungsergebnisse könnten in Zukunft zu Fortschritten in der Musiktherapie führen und sowohl bei psychischen Problemen als auch zur Schmerzlinderung Einsatz finden.

„Der Einfluss von einem Musikstück auf eine Person ist viel größer als nur der Schluss, dass ein schnelles Stück die Stimmung hebt und ein langsames die Stimmung senkt“, erklärt Projektleiter Don Knox. „Musik bringt Emotionen als Resultat vieler Faktoren zum Ausdruck. Dazu gehören Töne, Strukturen und andere Charakteristika eines Musikstückes. Auch Texten kommt eine Bedeutung zu.“

Subjektive Faktoren mit einbeziehen

Neben diesen objektiven Bestandteilen spielen auch subjektive Faktoren eine Rolle. Dazu gehöre etwa die Erinnerung daran, wann ein Musikstück das erste Mal gehört wurde und welche Assoziationen mit den Gefühlen von damals hergestellt werden können. „Unsere Forschungsarbeit ist der erste Schritt, all diese Faktoren mit einzubeziehen“, erklärt der Experte.

Zunächst sollen subjektive Faktoren jedoch vermieden werden, indem das Team eigens komponierte populäre Musik verwendet, die nicht im Handel erhältlich ist. Die Konzentration auf moderne populäre Musik ist ebenfalls eine Innovation und in der akademischen Musiktherapieforschung selten – vorhergehende Studien haben sich fast ausschließlich auf klassische Musik konzentriert.

Aufwändige Musikanalyse

In einem ersten Schritt hat eine Gruppe von Probanden diverse Musikstücke danach beurteilt, welche Emotion sie in welcher Intensität ausdrücken. Mit Hilfe von computergesteuerten Analyseverfahren wurden die Musikstücke dann auf Korrelationen zwischen der Bewertung und bestimmten musikalischen Merkmalen untersucht.

„Wir schauen auf Parameter wie Rhythmus-Muster, den melodischen Tonumfang, musikalische Intervalle, die Länge der Phrasen, Tonhöhe und so weiter“, erklärt Dr. Knox.

Zurzeit bezieht die Forschergruppe Gesang und Texte mit ein, in einem weiteren Schritt soll dann mit Musik gearbeitet werden, welche die Probanden schon kennen, um so auch persönliche Beziehungen mit einzubeziehen, welche die Versuchspersonen durch bestimmte Erlebnisse mit einem Stück aufgebaut haben.

Mathematisches Modell für Emotionen

„Das ultimative Ziel ist es ein verlässliches mathematisches Modell zu schaffen, wie Musik die verschiedenen Emotionen kommuniziert“, erklärt der Forscher. „Damit können dann Musikstücke herausgesucht werden, welche die jeweilige Stimmung beeinflussen und den emotionalen Erfordernissen entsprechen.“

Computerprogramme sollen dann also in der Lage sein, Musikstücke nach diesen Kriterien auszusuchen. Damit könnte die Forschung nicht nur für die klinische Anwendung interessant sein: Auch für Musikliebhaber und Download-Shops könnte die Technologie die Möglichkeit bieten, Musiksammlungen persönlich angepasst nach Emotionen zu sortieren.

Eine weitere Vision der Forscher ist aber, dass Ärzte eines Tages statt Medikamenten Musik verschreiben könnten – etwa zur Linderung von Depressionen oder Ängsten.

 

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Eine Antwort

  1. Rainer Siewert

    Eine spannende Forschung! In meiner psychotherapeutischen Praxis (www.musik-reise.de) arbeite ich insbesondere mit Schwangeren und unterstütze sie, mit Klängen und besonderer Musik ihre Bindung zum werdenden Kind noch bewusster und intensiver zu erleben. Dabei stelle ich fest, dass es viele Aspekte der Musik gibt, die die Gefühle beeinflussen. Dazu gehören u.a. der Rhythmus, die Tonhöhe, die Stimmung (moll/dur), die Instrumentierung und die Verwendung von Stimme. Besonders hilfreich sind Musikstücke, die das Herz öffnen und damit auch die Liebe zum werdenden Kind.

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