Stillen kommt aus der Mode. Studien haben gezeigt, dass bereits jede fünfte Mutter ihr Baby nicht mehr stillt. Neben körperlichen Gründen, wie zu wenig Milch oder Schmerzen beim Stillen sind viele Frauen offenbar auch um die Straffheit ihres Busens besorgt, wie eine aktuelle Debatte zeigt.

Ausgelöst hat diese eine Redakteurin des britischen Print-Magazins Mother & Baby. Kathryn Blundell, immerhin die leitende Redakteurin der Mütter-Zeitschrift, beschrieb in einem Artikel, warum sie ihr Baby mit der Flasche füttert, anstatt es zu stillen – und ihre Begründung dafür regte eine aufgeregte Debatte im Internet an. Erstens wolle sie nach der Schwangerschaft endlich ihren Körper zurück und wieder Wein trinken dürften. Zweitens habe sie keine Lust auf Busen, die nach dem Stillen irgendwo „in der Bauchgegend rumbaumeln“. Und drittens seien ihre Brüste Lustzentren und als solche ihrem Liebhaber vorbehalten. Über ihre Brüste schrieb Blundell:

„Sie sind auch Teil meiner Sexualität – nicht nur Brüste, sondern auch „Fun Bags“. Und wenn man diese Einstellung hat (und ich gestehe, dass ich keinen Versuch unternahm, dies zu ändern) und sieht, wie dein winziges, kleines unschuldiges Baby dort andockt, wo zuvor nur ein Liebhaber hindurfte, dann fühlt sich das, ja nun, etwas gruselig an.“

Barbie hat gewonnen

Stillen ist also gruselig? Zu sexuell? Hat sich unsere Kultur der Natur bereits völlig entfremdet? Für Rowan Pelling, Kommentatorin des Telegraph, zeigt sich in der Aussage Blundells wie sehr die „Barbie-Kultur den Mainstream durchdrungen hat; der surreale Hollywood-Traum, in dem der schwerkraftstrotzende Busen als normaler gilt – und löblicher – als die Brust einem hungrigen Baby darzubieten“.

Also Barbie statt Muttergöttin? Der perfekte Körper ist offenbar wichtiger als das Kind. „Die nachgewiesenen gesundheitlichen Vorteile des Babys beim Stillen, die damit einhergehende, innige Bindung an das Neugeborene wird demgegenüber hintangestellt (die vielen Kaiserschnitte mögen in eine ähnliche Richtung deuten)“, schreibt auch Thomas Pany bei Telepolis.

Die weibliche Brust

Für Rowan Pelling geht hier ein Archetyp verloren, das tiefe Symbol der nährenden weiblichen Brust. Und dieses Symbol ist ein Ambivalentes „Das große Wunder der Brust“ liege doch darin, dass sie gleichzeitig nährend sei und erotisch:

„Östliche Kulturen sind bereit, dieses Wunder zu akzeptieren, aber im Westen, wo Porno und Modeindustrie sich dazu verschworen haben, den Busen von seinen mütterlichen Funktionen zu befreien, bleiben wir polarisiert. Modernen Frauen wurde so oft erzählt, ihre Brüste seien Männer-Magneten, dass viele sich gar nicht mehr vorstellen können, dass sie auch eine andere bilogische Funktion haben könnten. Die Wahrheit ist aber, dass nichts gruseliger ist als eine Kultur, in der Brüste zu „fun-bags“ reduziert werden.“

 

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2 Responses

  1. traudl

    ohje, was ist da gruselig?! Die eigene, noch so kleine Welt ich wichtiger als mal auf eine andere Person zu schauen. Sogar, wenn es das eigene Kind ist. Also dann gleich mit 3 Monaten ab in die Krippe, damit Schönheit und Freiheit nicht leiden.

    Abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass so einzelne Aktionen lange halten, ist es Gott sei Dank hier auch so wie überall: Extreme werden von anderen Extremen abgelöst.

    Mein Sohn wurde natürlich länger als 3 Monate gestillt und getragen (Tragetuch, natürlich kein Kinderwagen;-)), denn wir alle lasen in der Zeit das Buch „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“. Und Tschernobil tat sein übriges, dass wir versuchten, die Kinder so gesund wie möglich zu ernähren. Und das ist halt nunmal die Muttermilch (obwohl auch da die Babynahrungs-Industrie versucht hat was anderes zu sagen).

    Und wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

    Darum freue ich mich, dass so eine Anti-Still-Bewegung sofort wieder eine Still-Bewegung auslösen wird. Und dass es immer mehr Menschen gibt, die nach ihrem eigenen Gefühl handeln, so dass die wenigsten auf diesen Zug aufspringen werden.

    Ganz abgesehen davon glaube ich nicht, dass Stillen die Brüste weniger schön macht, sondern das „chemische“ unnatürliche Abstillen, das ja sicher auch nicht gesund ist.

    Traudl Hilzensauer
    www.mayaspirit.de

    Antworten

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